Im Grunde genommen ist das Leben sehr einfach – so, wie es ursprünglich für uns Menschen gedacht war. Wenn wir ehrlich sind, brauchen wir gar nicht viel, um unser Dasein voller Freude, Leichtigkeit und Verbundenheit zu erleben. Doch im Lauf der Zeit haben wir eine immer komplexer werdende Welt erschaffen, die uns oft glauben lässt, dass unser Leben voller Konflikte, Leid, Schmerz, Kampf und Schwierigkeiten ist. Diese Komplexität spiegelt sich nicht nur in unseren äußeren Umständen wider, sondern vor allem in unserem Inneren. Dabei ist es ein bestimmter Aspekt in uns, der diese Komplexität immer wieder anfeuert: unser Ego. Das Ego, so wie wir es kennen, bezieht sich auf alle Erfahrungen aus unserer Vergangenheit, um unser Jetzt und unsere Zukunft zu formen und zu gestalten – oft auf eine Weise, die uns von unserem wahren Sein trennt und in endlose Gedankenschlaufen verstrickt.
 
Das wahre Sein, von dem hier die Rede ist, zeigt sich in dem Augenblick, in dem wir unsere schier endlosen Grübeleien und Gedankenmuster hinter uns lassen und ganz im gegenwärtigen Moment ankommen. In diesem Moment erleben wir die natürliche Verbindung mit der Schöpfungsebene, die in uns und um uns herum existiert. Wir spüren dann eine tiefe Freude, Glück und manchmal sogar eine bedingungslose Liebe, die alles umfasst. Dieser Zustand ist kein ferner Idealzustand, der nur ausgewählten Menschen vorbehalten ist. Im Gegenteil: Er ist unser Geburtsrecht und in jedem von uns bereits angelegt. Doch das Ego – mit all seinen Bewertungen, Mustern und Erwartungen – verstellt oft den Blick auf diese tiefe innere Wahrheit und Freude. 

Was bleibt ist die Sehnsucht!
Sobald wir erkennen, dass das Ego im Grunde „nur“ ein subjektives Konstrukt ist, das sich auf Zeit und Raum stützt, öffnet sich ein neuer Raum der Möglichkeiten. Das Ego nutzt unsere Erinnerungen und Erfahrungen, um unsere Gegenwart und unsere Zukunft zu beeinflussen. Genau hierin liegt sein Daseinszweck: Es will uns beschützen, begrenzen und versuchen, möglichst jede erdenkliche Situation in unserem Sinne zu kontrollieren. Dabei greift es auf die Vergangenheit zurück, um Schlussfolgerungen zu ziehen und Vorsätze für die Zukunft zu fassen. In vielen Fällen mag das sogar hilfreich sein, beispielsweise wenn wir aus Fehlern lernen oder uns auf neue Herausforderungen vorbereiten. Doch wenn wir permanent auf die Stimme dieses Egos hören, verlieren wir den Bezug zum reinen Jetzt. Wir verpassen die Chance, aus der Tiefe unserer Existenz zu schöpfen, und lassen uns von endlosen Bewertungsprozessen und Selbstzweifeln leiten.
 
Die in uns damit verbundene Sehnsucht nach Verbundenheit, Leichtigkeit und Glücklichsein bleibt jedoch bestehen – sie schlummert in uns und wartet darauf, gelebt zu werden. Hier kommt die Idee ins Spiel, bewusst einen Schritt zurückzutreten und das Ego in seiner Funktionsweise zu beobachten. Wenn wir uns erlauben zu erkennen, wann unser Ego am Werk ist, können wir beginnen, uns davon zu lösen, zumindest für einige Augenblicke. In diesen Augenblicken eröffnet sich etwas Neues: die Erfahrung des gegenwärtigen Moments als Tor zu unserem wahren Sein. Viele Menschen erleben das beispielsweise durch Meditation, Atemübungen, Zeiten in der Natur oder in stillen Momenten des Staunens. Plötzlich scheint da eine Kraft zu sein, die größer ist als unsere Alltagsgedanken, und wir spüren eine tiefe Ruhe in uns. 

Warum machst du dir dein Leben so schwer?
Die Frage, die sich nun stellt, ist: Wie kann es uns gelingen, immer öfter in diesen Zustand der Einfachheit und Verbundenheit zu gelangen, anstatt uns in den zahllosen Gedanken, Sorgen und Vorstellungen unseres Egos zu verlieren? Ein erster Schritt besteht darin, unsere Glaubenssätze und Bewertungen zu hinterfragen. Wann immer wir spüren, dass wir uns beispielsweise ärgern, ängstlich sind oder unseren Tag mit negativen Erwartungen füllen, können wir bewusst innehalten. Wir können uns fragen: „Ist das wirklich wahr? Muss ich diese Situation bewerten oder kann ich sie erst einmal so annehmen, wie sie ist?“ In dem Moment, in dem wir eine Bewertung loslassen, geben wir Raum für eine offenere Haltung – und damit die Chance, das Leben wieder in seiner ursprünglichen Einfachheit zu betrachten.

Ein weiterer wesentlicher Schritt ist das Erforschen unserer Muster und Konditionierungen. Seit unserer Kindheit haben wir gelernt, wie wir in bestimmten Situationen reagieren „müssen“, um von unserer Umwelt angenommen oder geliebt zu werden. Wir haben Überzeugungen entwickelt, was richtig oder falsch ist, wie wir uns verhalten sollten und was wir für ein „erfolgreiches“ Leben halten. Viele dieser Muster sind längst überholt und passen gar nicht mehr zu dem, was wir heute wirklich wollen oder was unserem tiefsten Inneren entspricht. Doch solange wir sie nicht erkennen, bestimmen sie weiterhin unbewusst unser Denken, Fühlen und Handeln – und nähren das Ego. Sich dieser unbewussten Muster bewusst zu werden, ist ein Prozess, der Geduld, Reflektion und Selbstmitgefühl verlangt. Denn wir können nicht alles über Nacht ändern, wir können aber jeden Tag einen kleinen Schritt machen, indem wir uns liebevoll und wertfrei beobachten.

Du willst „Flow“? Dann lebe ihn!
Im Kern geht es darum, den Wandel des Bewusstseins zuzulassen. Wir stellen uns die Fragen: „Wer bin ich wirklich, jenseits meiner Rollen und Vorstellungen? Was passiert, wenn ich aufhöre, mich mit meinen Gedanken zu identifizieren? Was entsteht, wenn ich mich ganz auf den Augenblick einlasse?“ In diesen Fragen liegt ein enormes Potenzial. Denn je mehr wir uns für diese offene, unmittelbare Präsenz entscheiden, desto eher können wir erfahren, was es bedeutet, „im Flow“ zu sein – also in einem Zustand, in dem wir mit dem Leben verschmelzen und uns in einer Art müheloser Aktivität wiederfinden. 
 
Gleichzeitig kommen wir nicht umhin, unsere Gefühle und Emotionen in diesem Prozess näher zu betrachten. Das Loslassen des Egos bedeutet nicht, alles Negative zu verdrängen oder keine Angst mehr zu spüren. Vielmehr laden wir auch unangenehme Gefühle ein, gesehen und gefühlt zu werden, ohne sie gleich wieder wegzuschieben. Denn so können sie an die Oberfläche kommen und sich lösen. Wir lernen, uns selbst zu halten und uns in unserem Innersten zu tragen. Gerade in Momenten tiefer Trauer, Wut oder Unsicherheit entsteht ein großes Transformationspotenzial, wenn wir uns erlauben, diese Gefühle ohne Bewertung zu durchleben und ihnen mitfühlend zu begegnen.
 
Eine neue Dimension unseres Seins betreten wir also dann, wenn wir unsere Bewertungssysteme erkennen und loslassen. Es bedeutet jedoch nicht, dass wir aufhören, Pläne zu machen oder uns Ziele zu setzen. Vielmehr können wir diese in einem Bewusstseinsraum kreieren, der sich unserer wahren Natur bewusst ist, statt sich nur vom Ego leiten zu lassen. Dann kommen unsere Impulse aus einer tieferen Ebene, aus einem Ort, der mit unserer Essenz im Einklang steht. Oft fühlen wir in solchen Momenten intuitiv, was stimmig ist und was nicht. Entscheidungen fallen uns leichter, weil wir aus einer inneren Klarheit heraus handeln und uns selbst vertrauen lernen. Wir merken: Es braucht keinen Zwang, keinen ständigen Vergleich und keine Angst, etwas zu verpassen. Alles, was wirklich zu uns gehört, findet auf natürliche Weise zu uns.

Die Zeit des Wandels ist voller Geschenke!
Dies ist das Geschenk eines zunehmenden Bewusstseins: Wir kehren zurück zu der ursprünglichen Einfachheit des Lebens, die in uns liegt und die uns immer wieder zeigt, dass wir Teil eines großen Ganzen sind. Wir können die Schönheit eines Augenblicks genießen, ohne ihn sofort festhalten oder bewerten zu wollen. Wir erfahren Momente tiefer Freude und Dankbarkeit, einfach, weil wir existieren. Statt uns im Denken über gestern oder morgen zu verlieren, erlauben wir uns immer öfter, das Wunder des jetzigen Moments zu erfahren. Genau dort finden wir die Kraft, wirklich wir selbst zu sein – frei von starren Konzepten und Verhaltensmustern, die uns womöglich schon lange nicht mehr guttun.
 
Je mehr wir uns dieser Einsichten öffnen, desto klarer wird uns, dass das Ego nicht unser Feind ist. Es ist vielmehr ein Teil unseres menschlichen Daseins, den wir anerkennen können, ohne uns ihm völlig auszuliefern. Indem wir lernen, das Ego in bestimmten Momenten zur Seite zu stellen, entsteht eine neue Dimension innerer Freiheit. Diese Dimension geht einher mit Mitgefühl – für uns selbst und für andere –, mit Achtsamkeit und immer wieder Staunen, gegenüber dem Leben in all seinen Facetten und mit einem wachsenden Vertrauen in das große Ganze. 
 
Wir beginnen zu erkennen, dass wir nicht so viele Dinge „tun“ müssen, um glücklich zu sein. Oft reicht es, einfach nur zu „sein“. Wir spüren, wie wir in uns selbst Ruhe finden können, selbst wenn um uns herum Chaos herrscht. Diese innere Stille ist nicht das Verstummen aller Gedanken, sondern eher ein liebevolles Gewahrsein, das allem Raum gibt: Gedanken dürfen kommen und gehen, Gefühle dürfen da sein und sich wieder verabschieden, Sinneseindrücke nehmen wir intensiv wahr, ohne uns in ihnen zu verlieren. Und in dieser Weite erkennen wir, dass wir Teil der Schöpfung sind, verbunden mit allen Lebewesen und getragen von einer Kraft, die wir vielleicht gar nicht in Worte fassen können.

Lass dir Zeit!
So ist es letztlich das Loslassen des Egos in allen Aspekten, das uns ermöglicht, unser wahres Sein zu entdecken. Diese Reise ist weder schnell noch linear, sondern eher ein beständiges Kreisen und Tiefertauchen. An manchen Tagen fühlen wir uns näher dran, an anderen Tagen spüren wir vielleicht wieder die gewohnten Zweifel. Doch jeder Schritt zählt. Jedes Mal, wenn wir unsere urteilenden Gedanken bemerken und uns entscheiden, sie loszulassen, gewinnen wir ein Stück Freiheit zurück. Jede Meditationspraxis, jeder bewusste Atemzug, jedes Hinwenden ans Leben voller Staunen und jede liebevolle Begegnung mit uns selbst oder anderen eröffnet uns die Chance, unsere menschliche Erfahrung auf eine heilsamere und freiere Weise zu leben.
 
Letztendlich geht es darum, uns selbst zu erlauben, die Einfachheit des Lebens wieder zu entdecken. Anstatt uns weiter in Komplexität zu verlieren, können wir erkennen, dass unser natürlicher Zustand eine tiefe Verbundenheit mit allem ist. In dieser Verbundenheit spüren wir eine Freude, die unabhängig von unseren äußeren Umständen existiert. Und gerade weil unser Ego so oft in Zeit und Raum agiert, zieht es uns in Vergleiche, Erinnerungen und Zukunftsplanungen – doch wir können lernen, damit zu spielen, statt uns von diesen Gedanken kontrollieren zu lassen. Wir können wählen, im jetzigen Moment zu verweilen und uns von dort aus kreativ und liebevoll ins Leben einzubringen.
 
Dieser Weg der Bewusstwerdung und des Loslassens von Ego-Strukturen eröffnet uns eine neue Perspektive auf das, was wir wirklich sind: Menschen, die nicht getrennt von ihrer Umgebung, sondern integraler Teil des Ganzen sind, auf dem Weg in eine neue Dimension des Seins. Wenn wir uns in dieser Weise mit dem Leben verbinden, erübrigt sich oft die Frage, ob wir etwas „brauchen“, um glücklich zu sein. Denn dieses Gefühl der Dankbarkeit, Freude und Zufriedenheit kommt aus dem Innersten und nährt uns. So lädt uns das Leben selbst ein, immer wieder neu zu entdecken, dass wahres Sein im Augenblick stattfindet und dass wir die Kraft besitzen, uns genau dahin zurückzuführen, wo unser Herz schlägt, und unsere Seele wohnt. 
 
Ich wünsche euch bei allen Wandlungsprozessen Kraft, Leichtigkeit und Zuversicht
Herzlichst
Eure
Stefanie

Ähnliche Beiträge